Montag, 4. August 2014

Europäisches Eichhörnchen (Sciurus vulgaris)

Eichhörnchen in unserem Garten, 2010

Einordnung

Klasse: Säugetiere (Mammalia)
Ordnung: Nagetiere (Rodentia)
Unterordnung: Hörnchenverwandte(Sciuromorpha)
Familie: Hörnchen (Sciuridae)
Tribus: Baumhörnchen (Sciurini)
Gattung: Eichhörnchen (Sciurus)
Art: Eichhörnchen


Verbreitung und Lebensraum

Das Europäische Eichhörnchen kommt in ganz Europa vor, Teile von Spanien und Italien sowie Portugal ausgenommen, und ist das einzige ursprünglich in Europa vorkommende Eichhörnchen. Außer in Europa kommt es auch in Nordasien vor. Es lebt in Höhen bis zu 2000m. Ursprünglich bewohnten Eichhörnchen hauptsächlich boreale Nadelwälder, in Europa auch Laub- und Mischwälder. Eichhörnchen sind Zivilisationsfolger, ziehen also ihre nahrungs- und lebensraumtechnische Vorteile aus der Nähe zu menschlichen Siedlungen, und kommen daher auch in Parks und Gärten vor.



Weitere Eckdaten

Tragzeit:                         ca 32d
Jungtiere:                        1-6
Gewicht bei Geburt:         8,5g
Aufzuchtszeit:                  4m
Alter:                              in freier Wildbahn bis 8y, durchschnittlich 3
                                      in Gefangenschaft 10-12y


Eichhörnchen haben an den Vorderpfoten vier lange Finger mit gebogenen Krallen, die sehr beweglich sind. Die Daumen sind verkümmert. Die Hinterbeine sind lang und sprungkräftig.

Äußeres

Eichhörnchen werden bis 30cm lang und wiegen 300-500g. Der buschige Schwanz von bis 20cm Länge hat viele verschiedene Funktionen inne. Er dient dazu, das Gleichgewicht beim Klettern zu halten, zur Steuerung im Flug und bietet im Winter Wärme, im Sommer Schatten und immer Schutz vor Regen. Während der Paarung wird der Schwanz zum Imponieren genutzt, ähnlich wie beim Menschen.
Eichhörnchen haben ein kurzes, weiches Fell. Obwohl wir als allererstes ein dunkles rotbraun mit Eichhörnchen assoziieren, gibt es europäische Eichhörnchen von hellrot bis dunkelbraun in allen Farbschattierungen. Der Bauch ist weiß oder zumindest hell gefärbt. Auch unter Eichhörnchen gibt es melanistische und albinistische Individuen.
Im Winter wird das Fell dichter und meist dunkler, die sonst nackten Fußsohlen sind behaart und die Ohren bilden verstärkte Pinsel aus.

Schnee auf der Nase und buschiger Plüschschwanz


Gebiss

Eichhörnchen haben 22 schmelzfaltige Zähne: im Oberkiefer 1I 0C 2P 3M, im Unterkiefer 1I 0C 1P 3M. Der Unterkiefer ist geteilt; dadurch können die Eichhörnchen die Incisiven im Unterkiefer um 2-3mm auseinander stellen, was bei der Nahrungsbeschaffung hilft. Sie können die Zähne wie einen Hebel einsetzen. Dieses Verhalten muss erst erlernt werden, es ist nicht angeboren.


Sinnesorgane

Die Augen des Eichhörnchens sitzen seitlich am Kopf, was ein großes Blickfeld ermöglicht. Dies ist wichtig für die Eichhörnchen, die sich beim Springen von Baum zu Baum auf ihre Sicht verlassen können müssen. Geruchs- und Gehörsinn sind sehr gut ausgeprägt, was einerseits ein gutes Warnsystem vor Feinden ermöglicht und andererseits die Suche nach Nahrung deutlich erleichtert. 


Lebensweise

Eichhörnchen sind tagaktiv und bewegen sich meist springend von Baum zu Baum fort. Auch auf dem Boden springen sie und laufen nicht etwa, was sie relativ langsam und angreifbar macht. Meine Katze hat schon häufiger Eichhörnchen erlegt; bisher hab ich mich immer gewundert, wie er das geschafft hat, weil er selbst nicht der Klügste ist, aber schneller als ein hoppelndes Eichhörnchen scheint er immerhin zu sein.
Auf und zwischen Bäumen springen Eichhörnchen bis zu fünf Meter weit und halten beim Klettern mit ihrem Schwanz die Balance.


Bau

Wenn Eichhörnchen nicht von Baum zu Baum springen, leben sie in Kobeln. Das sind runde, hohle Bauten aus Ästen und Zweigen, die in Astgabeln platziert werden, meist in mehr als sechs Metern Höhe. Der Kobel hat eine dicke Wand und wird innen mit Moos und Laub ausgepolstert. Er hat meist zwei Eingänge, einer davon nach unten weisend, weil Eichhörnchen ihren Kobel von unten betreten.
Eichhörnchen haben mehrere Kobel, wovon sie einige zur Nachtruhe, andere zum Ausruhen tagsüber verwenden. Sie wechseln häufiger ihren Schlafkobel, sei es wegen Parasitenbefall oder sonstiger Störungen.


Ernährung

Im Gegensatz zur allgemeinen Annahme sind Eichhörnchen keine reinen Pflanzen-, sondern Allesfresser. Je nach Jahreszeit ernähren sie sich von Beeren, Früchten, Nüssen und Samen. Sie fressen auch Knospen, Rinde, Baumsaft, Blüten, Flechten, Körner, Pilze, Obst sowie Würmer und andere wirbellose Tiere, Vogeleier, Jungvögel, Insekten, Larven und Schnecken.
Im Herbst legen Eichhörnchen Wintervorräte an. Sie halten keinen Winterschlaf und müssen regelmäßig Nahrung zu sich nehmen. Dafür vergraben sie Nüsse im Boden in Wurzelnähe, indem sie ein Loch scharren, die Nahrung ablegen, das Loch zuscharren, die Erde festdrücken und mit der Schnauze nachdrücken. Alternativ wird Nahrung in Baumrinden oder Astgabeln deponiert. Der Kobel dient nicht als Nahrungsspeicher.
Für den Winter muss genügend Nahrung gebunkert werden, da Eichhörnchen keine frische Nahrungsquelle zur Verfügung steht. Dies gilt nur für Laub- und Mischwälder. In borealen Nadelwäldern sind den ganzen Winter über Zapfen als Nahrung verfügbar.
Da die Eichhörnchen sich nicht alle Verstecke merken und auch nicht alle mit ihrem Geruchssinn wiederfinden können, spielen sie eine wichtige Rolle bei der Nachforstung natürlich belassener Wälder.


Sozialverhalten

Eichhörnchen leben meist solitär, nur zur ersten Paarungszeit ab Ende Januar jagen sie sich gegenseitig durch die Wipfel. Die Weibchen locken die Männchen zunächst mit Vaginalsekret an, wenn sie jedoch noch nicht paarungsbereit sind, verjagen sie die Männchen wieder. Vor der Paarung lassen sie sich von den Männern durch die Bäume jagen.
Gab es einen mageren Winter, kann die erste Paarungszeit entfallen und es wird sich erst im späteren Frühjahr gepaart. Eichhörnchen sind nicht monogam und suchen sich zu jeder Paarungszeit einen neuen Partner.
Die Jungen sind Nesthocker und entwickeln nach drei Wochen einen ersten flaumigen Pelz. Erst nach einem Monat öffnen sie die Augen, mit fünf bis sechs Wochen brechen die oberen Incisivi durch. Mit sechs Wochen verlassen sie den Kobel zum ersten Mal, mit acht bis zehn Wochen werden sie abgestillt. Sie bleiben noch mehrere Monate bei der Mutter, der Vater spielt bei der Aufzucht keine Rolle.
Die Jungtiere erreichen mit elf Monaten Geschlechtsreife.
In Ausnahmefällen tun Eichhörnchen sich auch außerhalb der Paarungszeit zu Gruppen zusammen. Die Rangordnung ist hierbei nicht geschlechtsspezifisch, sondern nach Alter und Größe geordnet. Allerdings werden Weibchen von Männchen selben Alters und Größe dominiert.


Feinde

Der Baummarder zählt zu den natürlichen Feinden des Eichhörnchens. Er klettert beinahe ebenso gut wie das Eichhörnchen, ist jedoch etwas schwerer und kann auf dünne Äste nicht folgen. Jedoch ist er im Gegensatz zum Eichhörnchen nachtaktiv und überrascht es schon mal nachts im Kobel. Auch Wildkatze, Uhu, Habicht und Mäusebussard jagen Eichhörnchen.
Gegen Raubvögel haben die Eichhörnchen einen Abwehrmechanismus entwickelt: Sie laufen schnell in kreisenden Bewegungen um den Baumstamm herum, was dem Vogel das Greifen stark erschwert. Junghörnchen werden oft im Kobel von Wieseln erbeutet. Wie weiter oben schon beschrieben, reißen auch Hauskatzen wie mein nicht sehr kluger Kater Eichhörnchen.
Auch der Mensch gehört natürlich zu den Feinden des Eichhörnchens, entweder durch Bejagung oder durch Unfälle. Auf dem Weg zur Arbeit kam ich jahrelang an einem Baum vorbei, in dem ich auch häufiger mal ein Eichhörnchen habe springen sehen. Als ich es das letzte Mal gesehen habe, sprang es leider nicht von Baum zu Baum, sondern lag platt auf der Straße.


Mensch und Hörnchen

Das Eichhörnchen findet sich in verschiedenen Mythologien über die Welt verteilt wieder.
So gibt es in der nordischen Mythologie das Eichhörnchen Ratatösk, was ich schön onomatopoetisch finde. Dieser Name wird vom altnordischen rati für Bohrer und toskr für Zahn abgeleitet. Ratatöskr springt im Weltenbaum Yggrasil von Ast zu Ast und somit von Welt zu Welt. Dabei trägt es Botschaften zwischen den verschiedenen Welten aus.
Ratatosk heißt das Eichhörnchen,

das herumspringt

an der Esche Yggdrasil;

die Worte des Adlers

trägt es von oben herab

und sagt sie unten Nidhögg.


Grímnismál, Strophe 32 (Übersetzung nach Arnulf Krause)

In Mittel- und Südamerika sowie in Japan stehen Eichhörnchen für Fruchtbarkeit, in Irland sind sie der Erd- und Fruchtbarkeitsgötting Mebd zugehörig.
In Indien gibt es Eichhörnchen mit drei Streifen auf dem Rücken, weil der heilige Sri Rama sie für ihren Mut und ihre Entschlossenheit gesegnet hat, indem er mit drei Fingern über den Rücken strich.
In Griechenland war man der Meinung, dass Eichhörnchen sich mit ihrem plüschigen, voluminösen Schwanz selber Schatten spenden, weshalb sie Schattenschwanz genannt wurden.
Auf etwas tödlichere Weise steht das Eichhörnchen schon länger mit dem Mensch in Verbindung- sie wurden als Nahrungslieferant genutzt und auch ihre Felle werden unter der Bezeichnung Feh in kalten Regionen zur Bekleidung verwendet.
Als Zivilisationsfolger werden manche Eichhörnchen so zahm, dass sie Nüsse aus der Hand fressen.


Erkrankungen

Eichhörnchen erleiden häufig Parasitosen durch den Eichhörnchenfloh und die Eichhörnchenlaus.
Fälle von Tollwut sind bekannt. Es wird berichtet, dass eine Frau sich an einem Eichhörnchen mit Tollwut infiziert hat, nachdem sie es mit ihrem Rasenmäher überfuhr. Diese Maßahme erscheint mir allerdings auch etwas rabiat.
Auch Eichhörnchen können an Pest erkranken.
Eichhörnchen können an Zahnfehlstellungen leiden, was dramatische Folgen haben kann, da die Incisivi der Eichhörnchen lebenslang wachsen. Haben die Zähne keinen Abrieb aneinander oder an der Nahrung, wachsen sie weiter und können Verletzungen verursachen oder weitere Nahrungsaufnahme verhindern. Zahnfehlstellungen entstehen häufig durch Sturz auf harten Boden.
Die Erkrankung Tularämie stellt eine Zoonose da und ist unter Nagern weit verbreitet. Weitaus geläufiger für diese Krankheit ist der Name Hasenpest.
Vektor für das Bakterium francisella tularensis sind beißende Ektoparasiten, es kann aber auch durch Schlamm und Wasser, durch das Abbalgen nach der Jagd oder über Staub übertragen werden.
Beim Eichhörnchen führt das Bakterium nach einer Inkubationszeit von zwei bis drei Tagen zu einer Sepsis. Weitere Symptome sind Schwächte, Apathie, Fieber und Tachypnoe. Lymphatische Organe wie Lymphknoten und Milz vergrößern sich. Die Prognose bei dieser Krankheit ist infaust, das heißt, die Tiere verenden auf jeden Fall innerhalb von vier bis 60 Tagen nach Infektion.


Quellen: 1 2 3 4 5 6 7 8

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